Pfingsten habe ich ein Plakat gesehen, ein Festival der befreundeten, anderen Veranstaltung im Umfeld des kleinen Gothic-Festivals, es ist wieder in der einen Location irgendwo in Plagwitz, die mit dem linksautonomen Charme.
[15.07.24 / 00:03] ✎ Pfingsten habe ich ein Plakat gesehen, ein Festival der befreundeten, anderen Veranstaltung im Umfeld des kleinen Gothic-Festivals, es ist wieder in der einen Location irgendwo in Plagwitz, die mit dem linksautonomen Charme. Datum in meinem Kalender notiert, wer auftritt, wer der Headliner ist – der Kanadier aus Schottland oder der schottische Kanadier – alles klar. Nur wann das dann den Sonnabend im Juli losgeht, wann der Einlass ist – das steht da nicht? Gefühlssache, könnte schon nachmittags sein, könnte aber auch erst abends sein … die eine Bondage-Performance, mit aufgelistet auf dem Plakat, bringt mich etwas ins Grübeln, ich glaube, die habe ich da schon einmal gesehen – und das war abends.
Die Tage vor dem Wochenende, meine Liste der Outfits für Pfingsten, mein ganzer Bestand im Kleiderschrank – ich will unbedingt das schwarze One-Shoulder-Kleid wieder tragen, es muss da schon ewig an der Seite hängen. Wann hatte ich das das letzte Mal an? Bestimmt pre-OP. Schnellwäsche in der Waschmaschine, zusammen mit meiner schwarzen Baumwolljacke im Bikerstil – die hatte ich auch schon lange nicht mehr an. Zurückgesetzt in meine frühen Dreißiger, kombiniere ich mein Outfit weiter. Schuhe – die Pumps, die Plateaus, die anderen schwarzen Schnürschuhe mit moderaten Absatz? Mein Favorit sind die Sneaker – bestimmt trägt den Abend jeder so ein paar Turnschuhe in dem Club. Es ist heiß und offene Sandaletten will ich zwischen den Punks vor der Bühne nicht tragen. Draußen vor dem Wäscheständer mit den frischgewaschenen Sachen kommen mir beim Kombinieren noch mehr Gedanken … zwischen den Hi-Top-Turnschuhen und dem schwarzen Kleidchen passt bestimmt super die Netzstrumpfhose dazu, die schwarze mit dem groben Fischnetzmuster … und dann noch die Bikerjacke. Outfit steht.
Ich will tanzen, ich will auf ein Konzert, ich will Männer treffen, die Nacht irgendwo verbringen, den Morgen in einem fremden Bett aufwachen, wen rufe ich da an, wem schicke ich eine Nachricht, wen kenne ich in Leipzig? Da bist nur du, mein Langzeit-Liebhaber. Er reagiert auf meine Anfrage, natürlich kann er ein Zimmer organisieren, kein Problem. Ich muss nur dann, wenn ich den Sonnabend in Leipzig angekommen bin, ihm eine weitere Nachricht schicken. Vertraue ich ihm? Nicht wirklich. Ich schätze meine Unabhängigkeit, ich nehme das Auto, ich packe alles in den Kofferraum, das Kleid, meine Waschtasche, die Kosmetikutensilien, ein Schlafsack und ein großes Handtuch für alle Fälle. Zur Not mache ich mein gesamtes Make-up auf der Bahnhofstoilette. Alles minutengenau geplant, wo ich wann wie sein will und was ich da mache, jeder Schritt auf meiner Tour – und doch bin ich den Sonnabend wieder viel zu spät. Mit Tempo hundertvierzig nach Leipzig auf der Autobahn. Wenigstens habe ich es vorher geschafft, noch meinen ganzen Körper zu rasieren.
Präzise 16:30 Uhr am Leipziger Hauptbahnhof angekommen, ich parke mein Auto in dem öffentlichen Parkhaus, ich muss noch zum Geldautomaten und möchte noch einen Kaffee trinken. Dort kann ich ihm auch eine Nachricht schicken, dass ich angekommen bin. Ich bewundere wieder die große Jugendstil-Halle dieses imposanten Bahnhofsgebäudes, die Kaffeehauskette muss wahnsinnig viel an Miete zahlen. Vor mir an der Theke steht eine junge Frau und bestellt sich einen Kaffee und etwas Kleines zum Essen. Sie fällt mir auf – sie sieht wunderschön aus. Sie ist mindestens einen halben Kopf größer als ich – und das mit Keilsandaletten – ihr Outfit komplett in Pink, zusammen mit ihren langen, blonden Haaren. Ihre Stimme, als sie die Bestellung aufgibt, ist fast gar nicht zu hören, so leise, sie muss in ihrem Leben richtig fiese Dinge erlebt haben. Ich dagegen, ganz in Schwarz, Nietengürtel, Jeans und Top, gebe meine Bestellorder ganz anders ab: „Ey, Alter. Lass den Pott Kaffee rüberwachsen.“
Weiter oben auf der Empore, am Tisch, schlürfe ich meinen Cappuccino und drücke mir meinen Blaubeermuffin rein. In Gedanken spiele ich jede Situation durch, wie ich sie wohl am besten hätte ansprechen sollen, mit ganz viel Respekt, ohne merkwürdig zu sein. Wie hätte ich mich ansprechen lassen können, wenn ein Mann hinter mir in der Warteschlange gewesen wäre? „Ich übernehme das für die bezaubernde, junge Dame.“ Weg mit dem Gedankenspiel, mein Freund aka Langzeit-Liebhaber bekommt eine Nachricht. Wenn er jetzt nicht innerhalb von einer dreiviertel Stunde antwortet, muss ich umplanen, dann kann ich nicht irgendwo – wahrscheinlich in Connewitz – für meine Vorbereitungen ein Bad benutzen … und ihn wiedersehen.
Blicke auf das Telefon, ich schalte es an, ich schalte es aus. Minuten vergehen, die Wartezeit in der oberen Ecke des Cafés in dem großen Bahnhof. Ich werde zum Auto gehen, meinen ganzen Kram umpacken, was ich nicht brauche, landet im Kofferraum, was ich brauche, das Kleid zum Umziehen, die Rolltasche mit dem Make-up, kommt mit in die Handtasche und die große Umhängetasche. Geschirrrückgabe und ich mache mich auf den Weg durch das Bahnhofsgebäude.
An dem Automaten am Bahnhof-WC werfe ich den einen Euro ein und gehe durch die Drehtür nach innen zu den Kabinen auf der Seite für die Damen. Es ist laut, es kommen ständig Leute, kleine Kinder, der Boden der Kabinen ist bedeckt mit Klopapier. In der Enge manövriere ich mich aus der Jeans raus und in die Netzstrumpfhose hinein, barfuß balancierend auf ein paar Blätter frisches Klopapier. Die Sneaker wieder zugebunden, das schwarze One-Shoulder-Kleid übergezogen, zurecht gezupft, Top und Jeans verschwinden in der Tragetasche. Die Kabine verlassend, raus zu den Schminkspiegeln. In dem Dämmerlicht mit den ganzen kommenden und gehenden Frauen um mich herum, ziehe ich einen wackeligen Strich am Augenlid. Es sieht bestimmt ganz furchtbar aus. Der schwarze Kajal und die paar Brocken danebengegangener Wimperntusche werden großflächig verblendet mit dem kleinen Pinsel … so genau sieht das dann später im Dunkeln des Clubs keiner mehr. Zurück zum Auto, ich bin spät dran, wenn ich es noch pünktlich zum Einlass um 19 Uhr an der Abendkasse schaffen will.
Bis zum Bezahlautomaten geht alles gut, die eine Karte wieder in meine Geldbörse, die andere zum Rausfahren, behalte ich mit dem Autoschlüssel in meiner Hand. Kofferraum zu, alles drin, Motor starten, zur Schranke eine Etage tiefer zum Ausgang. „Wo ist meine Karte!“
Scheiße verdammt, ich hatte sie doch eben gerade noch! Dramatische Szenen spielen sich da jetzt die nächsten Minuten ab. Ich werde nervös, panisch. Verliere meine Fassung, schreie hysterisch, stehe an dieser scheiß Schranke am Automaten und blockiere die ganze Ausfahrt. Zum Glück sind es zwei. Ich steige mehrmals aus, krame in meiner Handtasche, werfe alles auf das Verdeck oben, suche den ganzen Innenraum meines Autos nach dieser verdammten Karte ab. Wo ist sie? Habe ich sie verloren? Kann ich mich nicht mehr erinnern? Bin ich am Rande des Nervenzusammenbruchs? „Beruhige dich wieder, denk nach. Du weißt, wo sie ist, du hast sie auf deinen Schoß gelegt.“ Meine Erinnerung kommt zurück. Ich vergesse viel, wo ich was wo hingelegt habe. Wieder im Auto sitzend, gehen meine Hände rechts und links neben den Fahrersitz … ich kann sie ertasten! Sie muss von meinem Polyesterkleid beim Fahren runtergerutscht sein. Sie liegt in einer ganz ungünstigen Position, eingeklemmt unter der Schiene zum Bewegen des Sitzes.
Ein Schluck aus der Wasserflasche, so langsam komme ich wieder in ein planendes Verhalten. Das Verdeck muss runter, ich lege den Rückwärtsgang ein, die Autos hinter mir dirigiere ich mit einen Wink zu der anderen Ausfahrt. Ich fahre ein paar Meter vorsichtig zurück, daher ohne Verdeck, wo ich Platz habe zum Aussteigen und den Sitz nach ganz vorne zu schieben. Da ist sie, die scheiß Karte. Hoffentlich haben das nicht so viele mitbekommen, wie ich hier laut fluchend in meinem schwarzen Diva-Dress die Beherrschung verloren habe. Vielleicht hatte jemand an der Überwachungskamera Mitleid mit mir. Als ich wieder zur Schranke rolle und die Karte in den Schlitz schiebe, öffnet sie sich und lässt mich frei in das sonnige Tageslicht. Ich hätte eigentlich bestimmt nachzahlen müssen, die ganze dramatische Situation hat unendlich lange gedauert. Durch den Fahrtwind und meinen offenen Haaren in meinem roten Roadster den warmen Sommerabend zu dem Club nach Plagwitz. Mein Navi dirigiert mich, ich kann wieder runterkommen. (Ende Teil 1/2)
Kommentar:
[05.12.22 / 17:34] Daniele1992: Hallo Morgana
Mail ist heute rausgegangen
LG Daniele
[13.11.22 / 09:33] Daniele1992: Hallo Morgana
aktuell keine schöne Situation. Ich schreibe Dir noch eine Mail dazu.
LG Daniele
[13.05.22 / 09:15] Daniele1992: Hallo Morgana,
Tolle Reisebericht von Deiner neusten Reise nach Paris. Macht grosse Lust auch wieder dort hinzufahren um sich von der Stadt inspirieren zu lassen.
Tolle Neuigkeiten.NeuerJob. Klasse! Freue mich für Dich.
Liebe Grüße
Daniele
[24.12.21 / 20:55] Daniele1992: Hallo Morgana,
Ich denke an Dich und wünsche Dir frohe Weihnachten und ein schönes neues Jahr 2022.
Liebe Grüße
Daniele
[25.09.21 / 14:59] Daniele1992: Hallo,
eine Chance etwas Neues zu machen. Neue Perspektiven. Urlaubsträume, die bald real werden können. Nicht so schlecht. Freue mich für Dich. LG Daniele.
[11.11.20 / 09:12] Daniele1992: Hallo Morgana
Ich habe Dir eine Mail geschickt.
Lg
Daniele
[30.07.20 / 22:03] Daniele1992: Guten Abend
das habe ich sehr gerne gemacht. Zum Einen interessiert mich das Thema und zum Anderen hast Du wirklich sehr lebendig und spannend geschrieben. Da wollte ich Alles lesen und wollte Dir schreiben, das mir Dein Blog besonders gut gefallen hat (Die eigentliche Arbeit hattest Du ja mit dem Verfassen des Blogs). Wenn Du magst können wir den Kontakt gerne per Mail halten. Viele Grüße Daniele
[30.07.20 / 12:44] Daniele1992: Guten Morgen,
vielen Dank für Deinen tollen Blog. Ich habe ihn in den letzten Wochen komplett gelesen. Meistens konnte ich gar nicht aufhören zu lesen. Fast wie bei einem sehr spannenden Roman. Ich habe dabei Deine genauen Beobachtungen und Beschreibungen sehr genossen. Deine vielen Ausflüge in die Clubs und zu den Festivals oder Deine Streifzüge d durch die Geschäfte beschreibst Du immer aus Deiner Sicht sehr anschaulich und spannend. Ich kann das sehr gut nachvollziehen, das alleine zu erleben, häufig auch mit einer gewissen Distanz. Ich kenne ich von mir sehr gut. Highlights sind Deine Reiseberichte. Deine Erlebnisse an den unterschiedlichsten Orten auf der Welt. Vielen Dank dafür. Vielen Dank auch das Du Deinen Weg zu Deinem waren Geschlecht mit uns Lesern teilst. Deinen Weg Deine Gefühle Deine zeitweisen Zweifel. Das ist sehr wertvoll auch für uns Andere, denn es ist authentisch und sehr selten. Du bist einem dadurch sehr vertraut geworden. Für mich ist eine gefühlte grosse Nähe dadurch entstanden. Umso mehr schmerzt es mich von Deinen Rückschlägen zu lesen. Von Deinem Kampf zu Deinem wahren Ich. Von Deinem Kampf umd Liebe, Zährlichkeit und Akzepzanz und Anerkenung. Von Deiem mitunter verzweifeltem Kampf nach Liebe und Anerkennung durch Deinen Exfreund. Leider vergeblich. Dein Kampf um wirtschaftliche Unabhängigkeit und Deine aktuell missliche Lage. Ich glaube dass Du nicht gescheitert bist. Du hast viel Mumm und Hardnäckigkeit bewiesen Deinen Gang zu Dir selbst zu gehen. Du hast auch einen guten Beruf der immer noch sehr gefragt ist. Vielleicht kann ja nach dieser Auszeit und etwas Abstand ein Neuanfang in einer anderen Firma, wo Du keine Vergangenheit als Mann hattest gelingen. Ich wünsche das Dir ein Neuanfang gelingt und drücke Dir ganz fest die Daumen. Daniele
[05.10.19 / 17:11] Drea Doria: Meine liebe Morgana,
bin 5 T post all-in-one-FzF-OP. Deine guten Wünsche haben geholfen. Der Koch ist immernoch noch super. Alle hier sind herzlich und nehmen sich Zeit.
Herzlich
Drea
[14.06.19 / 12:57] Drea Doria: Meine liebe Morgana,
vielen Dank für Deine offenen und kritischen Erlebnisberichte. Ich bin in 3 Monaten in Sanssouci zur FzF-OP. Ich denke auch, was kann schon schief gehen, status quo geht nicht und irgendwas besseres wird wohl resultieren. Wenn es Dich interessiert, halte ich Dich informiert. Drücke mir die Daumen.
Herzlich
Drea
[14.11.17 / 20:13] Morgana LaGoth: Nutzungsbedingungen für die Kommentarfunktion: Die Seitenbetreiberin behält sich das Recht vor, jeden Kommentar, dessen Inhalt rassistisch, sexistisch, homophob, transphob, ausländerfeindlich oder sonstwie gegen eine Minderheit beleidigend und diskriminierend ist, zu zensieren, zu kürzen, zu löschen oder gar nicht erst freizuschalten. Werbung und Spam (sofern die Seitenbetreiberin dafür nicht empfänglich ist) wird nicht toleriert. Personenbezogene Daten (Anschrift, Telefonnummer) werden vor der Veröffentlichung unkenntlich gemacht.
1