morgana81 - gothic transgender

Sternzeit irgendwas, Logbucheintragung des Captains:

[01.01.70 / 00:00] Sternzeit irgendwas, Logbucheintragung des Captains:

[24.08.22 / 23:38] Der dritte Pride für diesen Sommer, den ich unbedingt noch mitnehmen will: der CSD in Magdeburg. Kurz vor dem Frühstück, Sonnabend Morgen, schnell noch ein neues „9-Euro-Ticket“ für den letzten Aktionsmonat am Computer online gekauft und ausgedruckt – die Wahl des Transportmittels fällt erneut auf den Regionalzug (auch wenn es hier nur wenige Kilometer sind). Vorteil: keine umständliche Parkplatzsuche, keine Unmengen an Münzen an den Parkautomaten verfüttern – und ich kann sofort die Stiefeletten mit den höchsten Absätzen tragen! Die, die ich die beiden letzten Male nach Berlin und Leipzig schon traurig im Schrank zurücklassen musste. Dieses Mal ziehe ich sie an, mein Outfit: die militanten Schnürstiefeletten mit den purpurfarbenen Schnürsenkeln und der groben Sohle, dazu meine Lederjacke und das schwarz-weiße, etwas dickere Kleid aus New York (2013), das ich schon ewig wieder anziehen wollte. Wird es kalt und regnen … oder warm? Ich lasse das optionale, schwarze Spaghettiträgertop darunter weg, das Kleid genügt. Die markante Sonnenbrille auf der Nase, bereit für die Zugfahrt.
Auf dem Provinzbahnhof stehen schon ein paar sehr junge Pride-Anhänger, mein Regenbogenbändchen hängt dezent an meiner Handtasche, sie sind wirklich sehr jung.
Wenig später am Hauptbahnhof in Magdeburg, die Dichte an gefühlt nicht volljährigen Schülern und Regenbogenfahnen tragenden Jugendlichen nimmt „exorbitant“ zu. Laute Musik wird aus kleinen Boxen gespielt, der Bestand an mitgenommenen Alkohol geprüft … ich fühle mich etwas unwohl in dieser Menge. Was wollt ihr alle hier? Kulturelle Aneignung, anderswo auf der Welt werden Menschen wie ich noch auf brutalste Weise ermordet, nur für das was und wie sie sind – trans – und ihr feiert hier eine riesige Party? Ich weiß, ich wiederhole mich … ich verstehe nur den Zusammenhang nicht.
Weiter zu dem CSD-Stadtfest, der aufgebauten Bühne, der bereitstehenden Trucks, nicht die vielen Parteien, nicht die ganzen Firmen, für mich auch keine Redebeiträge, keine sozialen Kämpfe für Gerechtigkeit, keine politischen Forderungen. Vielleicht wurden diese doch noch auf einer Bühne in ein Mikrofon gegeben, für mich und die meisten bleiben sie ungehört. Zu viel Fremdlärm.
Ich bin da, ich stehe dazwischen, eine leere Dose Energy-Drink rollt vor meinen Füßen, ich schaue sie an – verliere ich eine Träne? Ich brauche etwas, was mich aufheitert, mir ein besseres Gefühl gibt. Ich schaue mich um, beobachte die Menschen, hier die Gruppe mit den Hundemasken, dort in der feiernden Menge zwei, drei einsam auffallende Drag Queens und ein oder zwei Leder-Liebhaber. Leder. Ich liebe dieses knarzige Geräusch, wie meine schwarze Lederjacke an meiner genauso schwarzen Lederhandtasche reibt. Hinter mir, nur wenige Meter entfernt, entdecke ich ein Lederwarengeschäft.
„Suchen Sie etwas Bestimmtes?“
„Nein, ich bin nur rein zufällig hier“, ich laufe etwas durch den kleinen Laden, „die Handtasche da, die Clutch, was kostet die?“
Sie ist mir aufgefallen, diese schwarze und trägerlose Clutch aus Leder würde bestimmt elegant zu meinen Abendkleidern mit Spitze passen. Sie komplettiert damit mein Ensemble aus meiner großen Handtasche (die ich so gut wie immer trage), der kleinen Handtasche mit Tragehenkeln (die für Urlaubsreisen) und ersetzt die alte Clutch aus Satin und Pappe (die schon ewig, seit der Bootstour 2010, im Schrank liegt). Sie ist komplett aus echtem Tierleder und sehr weich und anschmiegsam, ich probiere sie mit der Verkäuferin aus und packe diverse Sachen aus meiner großen Handtasche in den schmalen und mit purpurfarbenen Stoff bezogenen Innenraum (dieselbe Farbe wie meine Schnürsenkel). Ein Kamm passt rein, die kleine Stifterolle mit dem Mascara, Kajal und Augen-Make-up … das Portemonnaie aber leider nicht, dafür gibt es ein kleines Seitenfach mit Reißverschluss. Ich kaufe sie (sie passt in meine große Handtasche). Der Stand auf meinem Girokonto nähert sich schon wieder gefährlich nah dem Dispokredit zum Monatsende.
Zurück nach draußen, den Laden verlassen, meine intime Shoppingwelt mit der der auf den Beginn des CSD-Umzuges wartenden Menschenmassen tauschen. Ich entferne mich weit abseits zum Startpunkt, beobachte wie sich die Trucks in Bewegung setzen, das junge Party-Volk dahinter herzieht. Der letzte Wagen ganz hinten zieht auch mich mit. Mehrere tausend Menschen vor mir bis weit in die nächsten Straßenkreuzungen.
Ich bin nicht in der Stimmung, zu der lauten Musik zu tanzen, es ist nicht wirklich meine Musik. Das einzige, was mir noch bekannt vorkommt, ist 90er-Jahre-Eurodance. Ich laufe etwas weiter vom hintersten Ende zum nächsten Wagen … und treffe hier wieder auf eine kleine Gruppe mir bekannt vorkommender Gesichter, die aus Berlin und Leipzig und Magdeburg letztes Jahr – ich bin doch nicht allein! Auch diese kleine Gruppe, kämpfend für die Rechte von Transpersonen, ist ihr Ungemach zu erkennen. Die fehlende Radikalität und der politische Diskurs auf dieser Riesen-Party. Ich werde von ihnen aus meiner fremdelnden Gefühlslage herausgeholt.
Die temporär existierende Gruppe läuft einige Abschnitte des Demozuges mit, verlässt ab und zu die Route, um wenig später wieder aufzuschließen … wir bräuchten auch einen eigenen Wagen (die hohen Schnürstiefeletten waren vielleicht doch nicht die optimale Wahl).
Der CSD-Straßenumzug endet, wie auch in den letzten Jahren in Magdeburg, auf dem Start- und Endpunkt: dem alten Markt vor dem Rathaus und der aufgebauten Bühne für das Stadtfest. Früher Nachmittag, die kleine Gruppe zerstreut und verabschiedet sich ebenso schnell, wie sie entstanden ist, ein bekanntes Ritual aus dem letzten Jahr. Auch ich habe wieder nicht die Absicht, dem Bühnenprogramm weiter zu folgen … nicht meine Welt, meine Musik, meine Interessen. Auch nicht die, meiner Begleitung für die nächsten Stunden.
Anregende Gespräche, Kennenlernen, Gemeinsamkeiten, Tipps von Transfrauen unter sich. Ein Bistro, ein Café, eine Bar bis in den Abend. Vergessen, wie der Tag anfing, lachen, scherzen. „Du bist jetzt eine Frau, du kannst nicht mehr so breitbeinig dasitzen“, ladyhaft knicke ich meine Beine schräg weg und zupfe am Saum meines Kleids, die schwarze Strumpfhose zieht schon wieder die erste Laufmasche.
Den Zug zurück in mein Provinzkaff fahre ich wieder alleine, aber gut gelaunt und mit einem Lächeln. Vielleicht sehe ich sie wieder? Neue Bekanntschaften, neuer Einkauf, neue Tasche, der Tag war nicht umsonst.

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Kommentar:

[05.12.22 / 17:34] Daniele1992: Hallo Morgana

Mail ist heute rausgegangen

LG Daniele

[13.11.22 / 09:33] Daniele1992: Hallo Morgana

aktuell keine schöne Situation. Ich schreibe Dir noch eine Mail dazu.

LG Daniele

Morgana LaGoth: Einige Kommentare müssen auch nicht allzu öffentlich sein …

[13.05.22 / 09:15] Daniele1992: Hallo Morgana,

Tolle Reisebericht von Deiner neusten Reise nach Paris. Macht grosse Lust auch wieder dort hinzufahren um sich von der Stadt inspirieren zu lassen.

Tolle Neuigkeiten.NeuerJob. Klasse! Freue mich für Dich.

Liebe Grüße
Daniele

Morgana LaGoth: Danke. Endlich wieder verreisen … lange darauf gewartet. Lebendig bleiben, solange es noch geht.

[24.12.21 / 20:55] Daniele1992: Hallo Morgana,

Ich denke an Dich und wünsche Dir frohe Weihnachten und ein schönes neues Jahr 2022.

Liebe Grüße
Daniele

Morgana LaGoth: Vielen Dank, ich wünsche dir ebenfalls ein schönes, neues Jahr.

[25.09.21 / 14:59] Daniele1992: Hallo,

eine Chance etwas Neues zu machen. Neue Perspektiven. Urlaubsträume, die bald real werden können. Nicht so schlecht. Freue mich für Dich. LG Daniele.

Morgana LaGoth: Danke dir.

[11.11.20 / 09:12] Daniele1992: Hallo Morgana

Ich habe Dir eine Mail geschickt.

Lg
Daniele

Morgana LaGoth: Hey ... vom Lenkrad aus mit der Hand winken, von einem MX-5 zum anderen. *freu*

[30.07.20 / 22:03] Daniele1992: Guten Abend

das habe ich sehr gerne gemacht. Zum Einen interessiert mich das Thema und zum Anderen hast Du wirklich sehr lebendig und spannend geschrieben. Da wollte ich Alles lesen und wollte Dir schreiben, das mir Dein Blog besonders gut gefallen hat (Die eigentliche Arbeit hattest Du ja mit dem Verfassen des Blogs). Wenn Du magst können wir den Kontakt gerne per Mail halten. Viele Grüße Daniele

Morgana LaGoth: Mail-Adresse steht oben bei "kontakt" - bei weiteren Fragen, gerne.

[30.07.20 / 12:44] Daniele1992: Guten Morgen,
vielen Dank für Deinen tollen Blog. Ich habe ihn in den letzten Wochen komplett gelesen. Meistens konnte ich gar nicht aufhören zu lesen. Fast wie bei einem sehr spannenden Roman. Ich habe dabei Deine genauen Beobachtungen und Beschreibungen sehr genossen. Deine vielen Ausflüge in die Clubs und zu den Festivals oder Deine Streifzüge d durch die Geschäfte beschreibst Du immer aus Deiner Sicht sehr anschaulich und spannend. Ich kann das sehr gut nachvollziehen, das alleine zu erleben, häufig auch mit einer gewissen Distanz. Ich kenne ich von mir sehr gut. Highlights sind Deine Reiseberichte. Deine Erlebnisse an den unterschiedlichsten Orten auf der Welt. Vielen Dank dafür. Vielen Dank auch das Du Deinen Weg zu Deinem waren Geschlecht mit uns Lesern teilst. Deinen Weg Deine Gefühle Deine zeitweisen Zweifel. Das ist sehr wertvoll auch für uns Andere, denn es ist authentisch und sehr selten. Du bist einem dadurch sehr vertraut geworden. Für mich ist eine gefühlte grosse Nähe dadurch entstanden. Umso mehr schmerzt es mich von Deinen Rückschlägen zu lesen. Von Deinem Kampf zu Deinem wahren Ich. Von Deinem Kampf umd Liebe, Zährlichkeit und Akzepzanz und Anerkenung. Von Deiem mitunter verzweifeltem Kampf nach Liebe und Anerkennung durch Deinen Exfreund. Leider vergeblich. Dein Kampf um wirtschaftliche Unabhängigkeit und Deine aktuell missliche Lage. Ich glaube dass Du nicht gescheitert bist. Du hast viel Mumm und Hardnäckigkeit bewiesen Deinen Gang zu Dir selbst zu gehen. Du hast auch einen guten Beruf der immer noch sehr gefragt ist. Vielleicht kann ja nach dieser Auszeit und etwas Abstand ein Neuanfang in einer anderen Firma, wo Du keine Vergangenheit als Mann hattest gelingen. Ich wünsche das Dir ein Neuanfang gelingt und drücke Dir ganz fest die Daumen. Daniele

Morgana LaGoth: Da liest sich tatsächlich jemand alles durch? Das ist mittlerweile schon ein kompletter Roman mit mehreren hundert Seiten! Danke dir, für deinen Kommentar (und die aufgebrachte Zeit).

[05.10.19 / 17:11] Drea Doria: Meine liebe Morgana,
bin 5 T post all-in-one-FzF-OP. Deine guten Wünsche haben geholfen. Der Koch ist immernoch noch super. Alle hier sind herzlich und nehmen sich Zeit.
Herzlich
Drea

Morgana LaGoth: Dann wünsch ich dir jetzt noch viel mehr Glück bei deiner Genesung!

[14.06.19 / 12:57] Drea Doria: Meine liebe Morgana,

vielen Dank für Deine offenen und kritischen Erlebnisberichte. Ich bin in 3 Monaten in Sanssouci zur FzF-OP. Ich denke auch, was kann schon schief gehen, status quo geht nicht und irgendwas besseres wird wohl resultieren. Wenn es Dich interessiert, halte ich Dich informiert. Drücke mir die Daumen.
Herzlich
Drea

Morgana LaGoth: Ich wünsche dir für deine Operation viel Glück. (Sollte der Koch nicht gewechselt haben, das Essen da in der Klinik ist richtig gut!)

[14.11.17 / 20:13] Morgana LaGoth: Nutzungsbedingungen für die Kommentarfunktion: Die Seitenbetreiberin behält sich das Recht vor, jeden Kommentar, dessen Inhalt rassistisch, sexistisch, homophob, transphob, ausländerfeindlich oder sonstwie gegen eine Minderheit beleidigend und diskriminierend ist, zu zensieren, zu kürzen, zu löschen oder gar nicht erst freizuschalten. Werbung und Spam (sofern die Seitenbetreiberin dafür nicht empfänglich ist) wird nicht toleriert. Personenbezogene Daten (Anschrift, Telefonnummer) werden vor der Veröffentlichung unkenntlich gemacht.

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